Review: Octopath Traveler II [Nintendo Switch]

7. Mai 2023,   
Autor: Stefan Ibels

Zugegeben, ich habe Octopath Traveler aus dem Jahr 2018 bislang nie gespielt. Trotzdem hat mich der erste Trailer sofort gepackt: Oldschool Rundenstrategie, beeindruckende 2D-HD-Pixelgrafik und hoffentlich eine packende Geschichte – all das weckte meine Lust auf das Spiel. Also setzte ich mich an das am 24. Februar 2023 erschienene Octopath Traveler II von Publisher und Entwickler Square Enix und berichte euch nun, ob es sich auch ohne Vorkenntnisse von Teil 1 gut spielen lässt und ob es mich dazu motiviert hat, den ersten Teil nachzuholen. Stefan Ibels

ACHTUNG: Jegliche Aussagen in diesem Review reflektieren lediglich die persönliche Meinung des Autors und nicht (!) die von PattoTV und seiner Partner.


Acht Helden, acht Geschichten

Octopath Traveler II bietet acht spielbare Figuren, von denen jede ihre eigene Geschichte hat. Einigen dieser Geschichten mangelt es jedoch ein wenig an Kreativität. Die meisten sind irgendwo schon einmal gehört worden und obwohl es hin und wieder Wendungen gib, sind diese nicht selten vorhersehbar.

Zu Beginn des Spiels sitzt Osvald der Gelehrte auf einer Gefängnisinsel, angeklagt eines Mordes, den er jedoch – Überraschung – nicht begangen hat. Obwohl er seit einigen Jahren inhaftiert ist, beherrscht er seine Magie immer noch hervorragend und nutzt sie für seinen Rachefeldzug.

Castti, die Apothekerin, hat wohl das klischeehafteste Motiv unter den spielbaren Figuren. Sie ist die klassische Heldin, die ihr Gedächtnis verloren hat. Als Apothekerin kennt sie sich aber natürlich bestens mit Kräutern aus, aus denen sie hilfreiche, heilende oder auch giftige Mixturen herstellen kann, die im Kampf von Nutzen sein können. Ein antihippokratischer Geheimbund und die Grenzen der Medizin mixen hier eine medizinisch-mysteriöse Geschichte.

Temenos, der Priester, ist wie Castti ebenfalls ein Heiler. Den Inhalt seines selbstverfassten heiligen Buches findet er selbst sehr öde, was immer wieder zu lustigen Situationen führt. Seine Fähigkeiten im Kampf sind jedoch nur rudimentär, seine Geschichte bietet hingegen eines der originellsten Settings.

Ochette, die Jägerin, stammt aus einem Wildlingsvolk, das in einem idyllischen Inselreich lebt. Allerdings haben sie eine seltsame Auffassung davon, was es bedeutet, „im Einklang mit der Natur” zu leben. Für sie bedeutet dies schlichtweg, alles zu jagen und zu verzehren. Die Erzählung wirkt hierbei nicht sehr durchdacht, aber ihre Jagdfähigkeiten sind durchaus nützlich im Kampf. Unterstützt wird sie dabei von ihrem tierischen Begleiter, der uns dabei hilft, die Schwachpunkte des Gegners zu identifizieren.

Partitio, der Händler, ist der Finanzexperte der Gruppe. Er tritt gierigen Kapitalisten entgegen und ist selbst eher ein Vertreter der sozialen Marktwirtschaft. Sein Vermögen, an das er mit Sammeln von Unmengen an Geld gelangt, investiert er in verschiedene Unternehmungen seiner Geschäftspartner.

Agnea, die Tänzerin, ist eine begabte, aber unerfahrene Dorfschönheit, die schnell die dunklen Seiten der Branche kennenlernt. Das Thema Sexismus ist hier allgegenwärtig. In Kämpfen setzt sie ihre tänzerischen Fähigkeiten ein und verführt notfalls auch unschuldige Zuschauer, um sie in den Kampf zu ziehen.

Throné ist eine geschickte Diebin, die mit ihrer Unterwelt-Drama-Geschichte an Catwoman erinnert. Sie muss aus den Fängen einer Verbrecherorganisation entkommen, die ihre Mitglieder versklavt, foltert und durch perfid Psychospielchen gefügig macht. Mit ihren Dolchen und Diebesfähigkeiten kämpft sie sich durch das Unterwelt-Drama.

Hikari ist ein verbannter Prinz eines untergehenden Adelshauses. Obwohl er keine Freude am Kämpfen hat, macht ihm im Umgang mit Schwert und Speer keiner was vor. Seine starken Kampftechniken sind für die Gruppe immer äußerst nützlich.

Vertrautes Spielprinzip

Wer schon einmal ein klassisches JRPG gespielt hat, wird sich schnell in Octopath Traveler II zurechtfinden. Ihr erstellt eine Party, bestehend aus eurer Hauptfigur und drei weiteren Mitgliedern, und habt dabei die Wahl aus den acht oben vorgestellten Helden, die nicht nur ihre eigene Geschichte, sondern auch ihre eigenen speziellen Fähigkeiten besitzen. Es ist ratsam, zunächst dafür zu sorgen, dass ihr alle acht Helden in eurer Gruppe vereint, bevor ihr euch der Geschichte widmet.

Die Entwickler lassen euch dabei vollkommen freie Hand, in welcher Reihenfolge ihr die Episoden und Kapitel spielen möchtet. Auf der Weltkarte bekommt ihr angezeigt, wo sich die Handlungsorte befinden und wie hoch der Schwierigkeitsgrad ist. Das ist insofern praktisch, da ihr so die Möglichkeit habt, euch gezielt aufzuleveln, indem ihr eure Routen frei wählen könnt.

Die Rundenkämpfe sind das Haupt-Gameplay des Spiels, aber glücklicherweise funktionieren sie sehr gut und spielen sich flüssig. Dabei werden immer wieder neue Strategien abverlangt. Zuerst müsst ihr die individuellen Schwachstellen eurer Gegner herausfinden, um dann durch gezielte Angriffe mit Nahkampfwaffen oder Zaubersprüchen ihre Deckung zu zerstören. Dadurch verschafft ihr euch Zeit, um besonders viel Schaden zu verursachen. In jeder Runde sammelt ihr Boost-Punkte, mit denen ihr eure Aktionen verstärken könnt. Je besser ihr eure Party aufeinander abgestimmt habt, desto mächtigere Feinde könnt ihr im Nu erledigen. Dieses Prinzip kennen wir bereits aus mehreren JRPGs.

In Octopath Traveler II kommt nun aber auch eine sogenannte „latente Kraft” hinzu. Diese lädt sich im Laufe der Kämpfe auf und kann dann für Spezial-Angriffe aktiviert werden. Je nach Charakter können so Angriffe, die eigentlich nur für einen Gegner bestimmt waren, auf alle angewandt werden oder man erhält eine Extra-Ladung Boost-Punkte.

Auch wenn die Kämpfe immer wieder Mal neue Strategien verlangen, so haben sie doch das Problem, dass sich die immer wiederkehrenden Zufallskämpfe sehr schnell wiederholen und es sich hin und wieder wie lästige Muss-Aufgaben anfühlen. Zumal man an manchen Stellen des Spiels ein wenig Grinden muss, um den dortigen Gegnern gewachsen zu sein. Gerade an diesen Stellen hatte ich das Gefühl, dass sich das Spiel dadurch ein wenig in die Länge zog. Ich persönlich spiele lieber in einem Rutsch durch, als irgendwo noch trainieren zu müssen.

Abseits der Kämpfe erkundet ihr viel und interagiert mit den Bewohnern von Solistia. Bei einigen Quests stehen euch auch verschiedene Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung. Je nach Charakter könnt ihr Probleme unterschiedlich lösen. Haut ihr beispielsweise lieber mit dem Kämpfer Hikari zu oder bevorzugt ihr es, jemanden mit Inquisitor Temenos auszuquetschen? So schön es ist, dass Square Enix uns hier die Möglichkeit verschiedener Lösungen gibt, so schade ist es, dass das Endergebnis jedoch in der Regel dasselbe ist.

Zurück in die 90er, aber in modern

Retro-Spiele sind ja aktuell wieder voll angesagt und besonders klassische JRPGs mit liebevoll gestalteter HD-2D-Optik erleben derzeit ein neues Hoch. Beispiele hierfür sind Octopath Traveler aus dem Jahr 2018, aber auch Live a Live oder Triangle Strategy. Auch Octopath Traveler II folgt dem klassischen Grundprinzip der Spiele aus der 16-Bit-Ära, bei dem man eine bunt zusammengewürfelte Gruppe mit klar verteilten Rollen hat, die zusammen Städte, Siedlungen und Dungeons erkunden und in Zufallskämpfen kämpfen. Diese Kämpfe erfordern geschickte Kombinationen von Fähigkeiten, Waffen und Zaubersprüchen der Gruppe, um auf Dauer erfolgreich zu sein. Octopath Traveler II macht jede Begegnung zu einer kurzweiligen, strategischen Knobelaufgabe, ohne dabei zu unter- oder überfordern.

Der neue Ableger beeindruckt zudem durch seine wunderschöne Optik. Die Spielwelt von Solistia besteht aus einem westlichen und östlichen Kontinent, getrennt durch ein geheimnisvolles Binnenmeer. Die Umgebung variiert von Dschungeln über Großstädte bis hin zu Gebirgen und Wüsten aus Sand oder Schnee. Die Welt ist voll von kleinen Details, die einen echten Spielwert bieten, wie zum Beispiel versteckte Schatzkisten und Questgeber, die clever in dem festen Kamerawinkel platziert wurden. Wenn man genau hinschaut, findet man oft versteckte Durchgänge und Leitern, die euch neue Wege erkunden lassen.

Die Unreal Engine wird geschickt genutzt und sorgt mit 3D-Tricks wie Kamerafahrten oder Zeitraffer-Sequenzen für Überraschungen. Effekte wie der Schatten von Wolken, umherfliegende Blätter oder Pollen sowie die hervorragende Beleuchtung schaffen eine dichte Atmosphäre, die sowohl tagsüber als auch nachts beeindruckt. Die Tageszeit könnt ihr mit einem Knopfdruck wechseln, was nicht nur optisch, sondern auch im Spiel selbst neue Möglichkeiten eröffnet, da manche Personen nur zu bestimmten Tageszeiten auftauchen.

Bei großen Schlachten sind die Gegnertruppen gut animiert und die Kämpfe gegen die teilweise riesigen Bosse sind beeindruckend. Die Musik des Spiels komponierte wie im Vorgänger Yasunori Nishiki, die perfekt zur Stimmung der jeweiligen Szene passt und für ein paar echte melancholische Ohrwürmer sorgt.

Bei der Sprachausgabe habt ihr die Wahl zwischen Englisch und Japanisch, die Texte können aber auf Deutsch umgestellt werden. Ich habe hauptsächlich mit der japanischen Sprachausgabe gespielt, die mir gut gefallen hat und professionell wirkt.

Mit seinen rund 80 Spielstunden bietet Octopath Traveler II viel Zeit in seine wunderschöne Welt und deren Bewohner abzutauchen. Seit dem 24. Februar 2023 ist Square Enix‘ neustes JRPG für 59,99 EUR (UVP) auf der Nintendo Switch, PlayStation 4 und 5 sowie dem PC erhältlich.

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Fazit

Ich hatte auch ohne Vorkenntnisse des ersten Teils durchaus meinen Spaß mit Octopath Traveler II. Besonders das Kampfsystem hat mich beeindruckt. Die abwechslungsreichen Kämpfe erfordern eine strategische Herangehensweise, die mich auch nach vielen Stunden noch motivierte, weiterzuspielen. Die Bosskämpfe waren dabei kleine Highlights und perfekt inszeniert. Im Spiel werden viele Geschichten erzählt, diese kommen meist allerdings nicht über die Wertung „Nett“ heraus.

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Auch die Geschichten der acht Helden hätten meiner Meinung nach spannender sein können. Hier sehe ich noch Luft nach oben. Die Optik des Spiels ist hingegen einfach fantastisch. Jeder, der etwas mit Pixelgrafik anfangen kann, wird von der wunderschönen Welt begeistert sein und ins Schwärmen kommen. Die beeindruckende Lichtstimmung und die zahlreichen liebevollen Details an jeder Ecke laden dazu ein, die Welt zu erkunden. Zusammen mit einigen herausragenden Musikstücken hat Octopath Traveler II definitiv meine Lust auf den Vorgänger geweckt.

Kurzfazit

JRPG-Fans aufgepasst! Octopath Traveler II ist definitiv eine Empfehlung für all diejenigen, die sich für Rundenstrategie und Pixelgrafik begeistern können. Obwohl die Geschichten nicht sehr episch sind, bieten sie dennoch eine unterhaltsame Erzählung.

Bilder: © SQUARE ENIX CO., LTD. All Rights Reserved.

Pro

  • Wunderschöner 2D-HD-Pixellook
  • Tolles Kampfsystem
  • Schicker Tag-Nacht-Wechsel
  • Hervorragender Soundtrack

Contra

  • Geschichten bleiben flach
  • Lösungsmöglichkeiten mit selbem Ergebnis
  • Vieles verpassbar durch Tag-Nacht-Wechsel
6.5
10
Story/Umfang:
Gameplay:
Grafik:
Soundtrack:
Themen:
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