Mit Gloomy Eyes: The Game wagt sich die mehrfach ausgezeichnete VR-Animation von Atlas V, 3Dar und ARTE in ein neues Medium: vom passiven Filmerlebnis hin zum interaktiven Puzzle-Adventure. Was im VR-Kino einst von Colin Farrells Stimme getragen wurde, entfaltet nun als Videospiel seine ganze erzählerische Kraft und lädt euch ab dem 12. September 2025 dazu ein, selbst in die melancholische Welt des Zombiejungen Gloomy einzutauchen. Stefan Ibels
ACHTUNG: Jegliche Aussagen in diesem Review reflektieren lediglich die persönliche Meinung des Autors und nicht (!) die von PattoTV und seiner Partner.
Vom VR-Film zum interaktiven Spiel
Die Ursprünge von Gloomy Eyes reichen zurück ins Jahr 2020. Damals hat die gleichnamige VR-Erfahrung auf Festivals wie dem Sundance Film Festival und dem Annecy International Animated Film Festival Preise abräumte. Schon damals beeindruckten die surrealen Dioramen, die makaber-verspielte Ästhetik im Tim-Burton-Stil sowie die Erzählung voller Poesie und Einsamkeit.
Die neue Umsetzung überträgt diesen Stil in handgefertigte, drehbare Dioramen, die ihr nicht nur betrachten, sondern auch aktiv erkunden könnt. Dabei schlüpft ihr in die Rollen von Gloomy, einem verträumten Zombie-Jungen, und Nena, einem mutigen Menschenmädchen. Beide finden sich in einer Welt wieder, in der es nur noch Dunkelheit gibt. Die Sonne ist verschwunden und die Welt wird von einem Konflikt zwischen Menschen und Untoten beherrscht. Um die Sonne wiederzufinden, gehen Gloomy und Nena ein verbotenes Bündnis ein.
Gemeinsam navigieren sie durch eine Welt ewiger Nacht, auf der Suche nach Licht und Hoffnung. Die Geschichte wird komplett auf Englisch erzählt – und der Sprecher macht dabei einen hervorragenden Job, indem er die Emotionen und die poetische Note der Handlung eindrucksvoll transportiert. Wer der englischen Sprache nicht mächtig ist, hat die Möglichkeit, Untertitel einzuschalten. Diese gibt es in mehreren Sprachen, darunter Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch, Chinesisch, Koreanisch und Portugiesisch.
Self-Coop und Diorama-Puzzle
Bei Gloomy Eyes: The Game handelt es sich um ein narratives Puzzle-Adventure, das stark auf das Zusammenspiel seiner beiden Figuren setzt. Im „Self-Coop“-System schaltet ihr zwischen Gloomy und Nena hin und her, um Rätsel zu lösen. Jede Figur bringt eigene Fähigkeiten mit, die sich geschickt kombinieren lassen. So schadet Gloomy beispielsweise Licht, während Nena mit ihrer Stärke immer wieder Hindernisse beiseiteschieben oder Gegenstände werfen kann. Nena wiederum kann klettern und springen, muss sich aber vor anderen Untoten in Acht nehmen.
Die Spielzeit liegt bei rund vier bis fünf Stunden, wodurch das Gefühl entsteht, ein interaktives Märchenbuch zu erleben. Wer alle Geheimnisse entdecken möchte, muss noch eins bis zwei Stunden dazurechnen. Die Rätsel sind meist simpel und stellen selten eine größere Herausforderung dar. Schwierigkeiten entstehen eher dann, wenn unklar bleibt, was das nächste Ziel ist.
In solchen Momenten tastet man sich durch das Level, bis der richtige Weg gefunden ist. Dabei hilft die Möglichkeit, das gesamte Diorama jederzeit zu betrachten. Dieses clevere Detail verschafft nicht nur Übersicht, sondern ist auch beim Aufspüren der zwei Geheimnisse pro Level nützlich.
Gothic statt Horror
Visuell bleibt Gloomy Eyes seiner DNA treu: Die düster-poetische Optik erinnert stark an die Filme von Tim Burton, allerdings werden keine billigen Schockeffekte eingesetzt. Anstelle von Splatter oder Jumpscares erwartet euch eine Art „Cozy Horror“ – melancholisch, charmant und voller liebevoller Details.
Die kleinen Dioramen sind mit viel Hingabe gestaltet und laden zum Erkunden ein. Zwar kann die starre Kameraführung gelegentlich die Orientierung erschweren, doch insgesamt sind die kleinen Level atmosphärisch dicht und voller visueller Feinheiten.
Musikalisch überzeugt das Spiel durchgehend. Bereits die VR-Version profitierte vom eindrucksvollen Score von Cyrille Marchesseau, der symphonische und synthetische Klänge mischte. Auch die Spielumsetzung greift auf eine ähnlich stimmungsvolle Klangwelt zurück. Jede Szene wird musikalisch fein akzentuiert, wodurch sich eine fast märchenhafte Geschlossenheit ergibt.
Technik und Steuerung
Die Steuerung in Gloomy Eyes: The Game ist einfach, intuitiv und schnell erlernbar, sodass man sich voll und ganz auf Geschichte und Atmosphäre konzentrieren kann. Technisch lief das Spiel weitgehend stabil, es kam weder zu Abstürzen noch zu Rucklern. Kleinere Probleme, wie das Feststecken in einer Ecke, traten zwar auf, ließen sich aber durch die sehr großzügige Autosave-Funktion schnell kompensieren.
Fazit
Gloomy Eyes: The Game wirkt wie ein liebevoll gestaltetes, interaktives Märchen. Es lebt von seiner poetischen Geschichte, den detailverliebten Dioramen und einem atmosphärischen Soundtrack, der jede Szene perfekt untermalt. Wer jedoch komplexes Gameplay oder fordernde Rätsel erwartet, könnte enttäuscht sein. Denn der Schwerpunkt des Spiels liegt klar auf der emotionalen Reise und weniger auf spielerischer Tiefe.
Wer sich jedoch entspannt zurücklehnen und eine vier- bis fünfstündige Geschichte voller Gefühl, Atmosphäre und „Cozy Horror“-Charme erleben möchte, wird hier bestens bedient. Trotz kleinerer technischer Schwächen bleibt der Gesamteindruck stimmig und die Entwickler liefern ein Werk, das Märchen- und Indie-Fans gleichermaßen anspricht.
Kurzfazit
Von mir gibt es eine klare Kaufempfehlung – vorausgesetzt, man weiß, dass bei Gloomy Eyes: The Game die Geschichte im Vordergrund steht. Das Gameplay ist seicht und dient nur dem Zweck, die Geschichte voranzutreiben.
Bilder: ©Arte France

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