Als 2023 die Ankündigung von STORY OF SEASONS: Grand Bazaar erfolgte, reagierten viele Fans zunächst mit Verwunderung. Anstatt eines brandneuen Settings kündigte Marvelous das Remake von Harvest Moon: Grand Bazaar an, einem Titel der Reihe, der bei den Fans nur durchschnittlich ankam. Doch genau darin liegt die spannende Chance. Marvelous verspricht kein simples „1:1-Remake“, sondern eine Neuinterpretation, die die Stärken des Originals ausbauen und die Schwächen beseitigen soll. Ob ihnen das gelungen ist, zeigt sich nun mit dem Release am 27. August 2025. Erik Schott
ACHTUNG: Jegliche Aussagen in diesem Review reflektieren lediglich die persönliche Meinung des Autors und nicht (!) die von PattoTV und seiner Partner.
Der Basar von Brisendorf
Der Basar im kleinen Brisendorf war einst einer der größten der Welt und zog Kunden und Händler aus aller Welt an. Doch das ist lange her. Seit die ehemalige Landwirtin das Dorf verlassen hat, schrumpfte der Basar mit der Zeit immer weiter, bis er schließlich nur noch ein Schatten seiner selbst war.
Hier kommen wir ins Spiel. Als Neuankömmlinge aus der Stadt, voller Energie, den Bauernhof zu übernehmen, machen wir uns an die Arbeit und gestalten aus dem Basar einen waschechten „Grand Bazaar“. Dabei lernen wir nach und nach die Bewohner Brisendorfs kennen und wachsen selbst zu einem unverzichtbaren Teil der Gemeinschaft heran.
Dorfidylle
Im Vergleich zum Original ist es diesmal möglich, unseren Charakter zumindest in Ansätzen zu gestalten. Zwar bietet der Editor keine riesige Auswahl, aber er erlaubt einige sinnvolle Anpassungen. Positiv ist, dass die Pronomen unabhängig vom Aussehen gewählt werden können. Neben den Optionen „maskulin” und „feminin” steht auch eine nichtbinäre Option zur Verfügung. Das hat zwar nur geringe Auswirkungen auf den Spielverlauf, signalisiert aber ein modernes und inklusives Spieldesign. Auch die Wahl einer Stimme ist möglich, wenngleich unser Charakter nur selten tatsächlich spricht, sodass dieser Aspekt eher im Hintergrund bleibt.
Brisendorf selbst ist charmant in Szene gesetzt. Die Größe des Dorfes und die gesamte Spielwelt sind zwar überschaubar, was aber durchaus positiv ist. Die Umgebung prägt sich schnell ein, ohne monoton zu wirken. Wie schon im Original spielt auch der Westwind, der durchs Dorf weht, eine besondere Rolle. Anstatt nur Windmühlen anzutreiben, können wir ihn im Remake mit einem Gleiter nutzen. Im Vergleich zum Original wurde die Anzahl der Feste und Events deutlich erweitert. Diese Veranstaltungen bringen Abwechslung in den Spielalltag und tragen zur Atmosphäre des Dorfes bei.
In den letzten 17 Jahren hat sich grafisch natürlich einiges getan. Die Farben wirken kräftiger, die Charaktermodelle sind detailreicher und die Animationen wirken lebendiger. Dadurch haben Brisendorf und der Basar eine viel stärkere Ausstrahlung und fangen die Idylle des Dorflebens hervorragend ein.
Ein besonderes Lob verdient die Musik. Viele Stücke greifen die bekannten Melodien des Originals auf, wurden jedoch neu vertont und klingen dadurch deutlich besser und stimmungsvoller. Wie gewohnt passen sie sich an Uhrzeit und Jahreszeit an. Während die Musik im Original manche Spieler schnell ermüdete, trägt sie im Remake spürbar zur Stimmung bei und macht das tägliche Farmleben umso einladender.
Dorfgemeinschaft
Eine der auffälligsten Neuerungen gegenüber dem Original ist die Vertonung der Dorfbewohner. Während Grand Bazaar auf dem DS noch vollständig auf Textboxen setzte, hauchen nun Synchronsprecher den Figuren Leben ein. Marvelous hat hier ganze Arbeit geleistet. Die Stimmen wirken sehr authentisch, transportieren Persönlichkeit und machen die Charaktere greifbarer. Das kommt besonders in den Zwischensequenzen gut zur Wirkung. Schade nur, dass die Dorfbewohner außerhalb dieser Szenen nur kurze, grübelnde Laute oder einzelne Wörter von sich geben. Ein durchgängigeres Voice Acting hätte die Welt noch lebendiger wirken lassen.
Zwar bleibt STORY OF SEASONS: Grand Bazaar in erster Linie eine gemütliche Farm- und Lebenssimulation, doch die Rahmenhandlung ist deutlich ausgebaut. Die Geschichte entwickelt sich langsam, aber kontinuierlich weiter. Zwischensequenzen und persönliche Ereignisse der Dorfbewohner ergänzen sie zusätzlich. Dadurch erhalten insbesondere die Figuren mehr Tiefe. Insgesamt legt das Spiel einen größeren Schwerpunkt auf Beziehungen innerhalb des Dorfes.
Heiraten gehört seit jeher zu den festen Bestandteilen der Reihe. Zwar gibt es neben bekannten Gesichtern auch einige neue Kandidatinnen und Kandidaten, doch eine Änderung ist entscheidender. Beziehungen und Ehen sind nun nämlich nicht mehr an das Geschlecht der Spielfigur gebunden. Dadurch wird das Spiel für ein inklusiveres Spielerlebnis geöffnet.
Hofarbeit
Die überarbeitete Fassung der Hofarbeit präsentiert sich solide. Sie bringt keine großen Überraschungen, wirkt durch kleine Anpassungen aber moderner und zugänglicher. Das tägliche Bestellen der Felder ist wie gewohnt ein repetitiver Kernaspekt, was einerseits typisch für die Serie ist, andererseits aber auch schnell zur Routine wird. Immerhin erleichtern Doppelsprünge die Arbeit, da dadurch eine größere Fläche bearbeitet wird. Dadurch wirkt die Arbeit weniger mühsam als im Original. Die Anzahl der Feldfrüchte wurde deutlich erweitert. Witzigerweise wurden zwei Mechaniken ausgetauscht. Orkane beschädigen nun die Feldfrüchte, weshalb Windschutzzäune aufgestellt werden müssen. Im Gegenzug werden die Pflanzen nicht mehr zertrampelt, wenn man über das Feld läuft.
Die Tierpflege ist hingegen weiterhin recht simpel. Die Tiere lassen sich schnell versorgen, ohne dass man wirklich in die Rolle des Landwirts hineinwächst. Gerade hier gäbe es noch viel Potenzial für mehr Abwechslung oder anspruchsvollere Mechaniken. Einen kleinen Ausgleich schaffen die Haustiere. Sie sind nicht nur dekorativ, sondern kümmern sich auch aktiv um die Tierherden. Je besser ihr Training, desto größere Herden können sie betreuen. Dies ist ein schönes Detail, das schon im Original vorhanden war und auch diesmal wieder einen Mehrwert bietet.
Ein klarer Fortschritt ist dagegen beim Werkzeug-System zu sehen. Während man im DS-Original bis zum Winter warten musste, um Erze für Upgrades zu erhalten, hat Marvelous den Zugang nun deutlich flexibler gestaltet. Ein neuer Bereich außerhalb des Dorfes ermöglicht es, das ganze Jahr über Erze zu finden. Dadurch wird der Spielfluss erheblich beschleunigt. So ist das Verbessern der Werkzeuge nicht mehr so stark von der Jahreszeit abhängig, was für ein besseres Vorankommen sorgt.
Neben der Hofarbeit besteht noch die Möglichkeit zu angeln. Die Fische beißen nicht einfach nur an und werden mit einem Knopfdruck herausgezogen, sondern sie müssen über die richtige Reihenfolge der WASD-Tasten bzw. die passende Bewegungsfolge des Sticks gefangen werden. Das wirkt zwar wie ein Ansatz, um dem Angeln mehr Dynamik zu verleihen, bleibt in der Umsetzung jedoch recht simpel und auf Dauer wenig spannend.
Der Grand Bazaar
Wie der Name bereits sagt, dreht sich hier alles um den Basar, der jeden Samstag öffnet. Mit wenigen Ausnahmen ist der Basar die einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen. Das kleine Minispiel, bei dem wir unsere Produkte aktiv anpreisen, ist gut gestaltet und wirkt selbst nach mehreren Wochen nicht monoton.
Der Basar wächst mit zunehmendem Erfolg. Neue Dorfbewohner oder reisende Händler eröffnen zusätzliche Stände. Sobald ein bestimmter Umsatz erreicht ist, steigt der Basar im Rang auf. Allerdings übernimmt das Remake auch einige Eigenheiten des Originals. Da fast das gesamte Einkommen am Samstag verdient werden muss, dreht sich der Spielfluss stark um diesen einen Tag. Wer unter der Woche wenig zu tun hat, kann den Alltag mitunter als leer empfinden.
Allerdings scheint ein Element aus dem DS-Vorgänger gestrichen worden zu sein. Dort sprachen Kunden den Spieler gelegentlich aktiv an und man musste die passende Antwort aus mehreren Möglichkeiten auswählen, um den Verkauf erfolgreich abzuschließen. Gerade weil sich diese Interaktion gut in das Basargeschehen einfügte, hätte Marvelous sie meiner Ansicht nach beibehalten können.
Fazit
Mit STORY OF SEASONS: Grand Bazaar legt Marvelous ein Remake vor, das die Stärken des Originals geschickt ausbaut und dessen Schwächen an vielen Stellen ausgleicht. Das sehr gelungene Voice Acting und die neu arrangierte Musik sorgen für ein rundes Spielerlebnis. Die ergänzte Inklusivität des Remakes ist eine lobenswerte Änderung. Hier wurde mit Blick auf ein modernes Publikum gearbeitet. Gleichzeitig bleibt das Spiel seiner gemütlichen Ausrichtung treu und bietet all die Routinen, die Fans der Reihe erwarten.
Leider wurden nicht alle Aspekte voll ausgeschöpft. Die Tierpflege wirkt nach wie vor oberflächlich, das Angeln ist immer noch zu simpel und der Basar hätte mit einigen zusätzlichen Interaktionen noch mehr Tiefe gewinnen können.
Dennoch ist Marvelous eine gelungene Neuinterpretation eines lange unterschätzten Teils der Reihe gelungen. Wer ein ruhiges Farm- und Lebensspiel sucht, mit den Routinen der Reihe etwas anfangen kann und sich auf die Mischung aus idyllischem Dorfleben und geschäftigem Basar einlässt, erlebt ein stimmungsvolles und angenehm entschleunigtes Spiel.
Kurzfazit
STORY OF SEASONS: Grand Bazaar ist ein gelungenes Remake, das zeigt, welches Potenzial auch in einem vermeintlich „kleineren“ Serienteil stecken kann.
Bilder: ©2025 Marvelous Inc.


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